Mühlhausen, 7. Mai 2019
Zum Benefizabend hatten wir am Dienstag, 7. Mai, um 19 Uhr, in das Bauernkriegsmuseum Kornmarktkirche eingeladen. Zu erleben war das Theaterstück „Judas“ von Lot Vekemans.
Judas – gespielt von dem bekannten Schauspieler Jürg Wisbach vom Konzert Theater Bern - ist aus der Hölle emporgestiegen, um seine Geschichte zu erzählen …
Mehr als 250 Besucher horchten diesem außergewöhnlichen fiktiven Augenzeugenbericht.
Hier die Rezension, die dazu in der „Thüringer Allgemeine“ erschien:
Wenn Judas erwacht
Außergewöhnlicher Benefizabend: Als die Ikone des Verrats ihre Geschichte erzählte, herrschte beklemmendes Schweigen
Von Iris Henning
Mühlhausen. Mehr als 250 Augenpaare richten am Dienstagabend in der Kornmarktkirche ihre Aufmerksamkeit auf das Bild auf der Bühne: Im blutbefleckten, zerschlissenen und zerrissenen Hemd liegt ein Mann bäuchlings und regungslos auf der Bank. Kopf, Arme, Beine hängen leblos herab. Um den Hals eine Schlinge. Mit einem entsetzlichen, markerschütternden Schrei erwacht dieser Mann, von dem alle im Zuschauerraum wissen: Das ist Judas. Seit mehr als 2000 Jahren die Verkörperung des Verrats.
Judas ist aus dem Tod aufgewacht, um als einziger Augenzeuge seine Geschichte über die Geschehnisse von damals zu erzählen. Um die wohl folgenreichste Geschichte des christlichen Abendlandes zu hinterfragen, anzuzweifeln, zu rechtfertigen, zu erklären und all die Was-wäre-wenn-Fragen in gewisser Weise in die Jetzt-Zeit zu projizieren.
Der Schauspieler Jürg Wisbach vom Konzert Theater Bern übernimmt die Rolle des Judas, gibt ihm in diesem Theatermonolog der niederländischen Autorin Lot Vekemans eine kraftvolle, intensive Stimme, lässt ihn zum Menschen werden, der geistreich und witzig ist, temperamentvoll und nachdenklich, der sich ein gerechtes Leben für alle wünscht. Der tief glaubt und noch tiefer zweifelt. Der ganz nah am Publikum unbequemste Fragen zur Schuld am Tode des Messias stellt und damit Verwirrung in den Köpfen seiner Zuschauer und Zuhörer anrichtet. So mit der fiktiven Geschichte über die Entstehung des weltberühmten Gemäldes „Das Abendmahl“ des italienischen Malers Leonardo da Vinci. Ein und derselbe Mann soll sowohl für Jesus als auch für Judas Modell gesessen hat – einmal als junger, unbescholtener Mensch und Jahre später als vom Verbrechertum Gezeichneter und gesellschaftlich Geächteter.
Jürg Wisbach spielt den Judas großartig, so intensiv, so leidenschaftlich, so menschlich. Als Augenzeuge Judas, der als einziger wissen kann, wie es wirklich war, bringt er das Publikum zu beklemmenden Schweigen, dass man eine fallende Stecknadel hätte hören können. Am Ende des Spiels muss erst einen Moment Besinnung in die Zuschauerreihen dringen, ehe der Applaus beginnen kann. Der wird immer lauter und hält noch lange an für diese großartige Inszenierung, die am Anfang und am Ende von Improvisationen des Klezmer-Klarinettisten Helmut Eisel umrahmt wurde. Was für ein Abend!
Übrigens: Mit dem Erlös aus diesem Benefizabend des Freundeskreises Mühlhäuser Museen soll der Druck der Begleitpublikation zur Ausstellung „Von Einhörnern und Drachentötern – mittelalterliche Kunst in Thüringen“ unterstützt werden.